Rechtsanwalt
Oliver Lavreau


Kanzleiphilosophie



Wir leben in einer Zeit der fortschreitenden Verrechtlichung aller Lebenslagen. Die Aktivitäten der gesamten Gerichtsbarkeit und des Gesetzgebers auf Länder-, Bundes- und Europaebene sind fast unüberschaubar. Auch die Zahl der Fachaufsätze und –bücher ist Legion.

Für einen Rechtsanwalt stellt sich zwangsläufig die Frage, wie man dem Menschen in dieser Eigenschaft zur vollsten Zufriedenheit dienen kann. Zu meinen, man könnte alles wissen, wäre vermessen und unseriös. Sicherlich hat man als Jurist gelernt, sich einer bestimmten Methodik zu bedienen, die einem erlaubt, in mannigfaltigen Rechtsfragen den richtigen Hebel anzusetzen. Doch nach eigenem Selbstverständnis ist mein Berufsstand gehalten, sich auf einige Rechtsgebiete zu spezialisieren, um die vollumfänglich-qualifizierte Beratung und Geltendmachung von Rechtsansprüchen der Mandantschaft zu gewährleisten. Aus diesem Grunde nehme ich keine Mandate an, die ich mangels hinreichender Kenntnisse oder trotz gewisser Einarbeitungszeit nicht zu betreuen vermag. Ich verweise grundsätzlich an Kolleginnen und Kollegen, von denen ich weiß, dass sie der richtige Ansprechpartner sein werden. Das ist für mich das Gebot der Aufrichtigkeit.

Es ist auch immer wieder zu hören, dass Rechtssuchende – aber auch von Mandantinnen und Mandanten, die sicher vorher in andere rechtliche Beratung begeben haben – böse Überraschungen hinsichtlich Gebühren oder Kosten erlebt haben. Erst im Nachhinein hat sich beispielsweise herausgestellt, dass bestimmte Kosten nicht von der Rechtsschutzversicherung übernommen werden, obwohl die Rechtsanwältin/der Rechtsanwalt hierüber klar hätte informieren müssen. Oder nach einem verlorenen Prozess, der eigentlich keine Aussicht auf Erfolg hatte, wird über - nur mündlich geäußerte – fehlerhafte Rechtseinschätzungen des Anwalts oder der Anwältin gestritten (Stichwort: Anwaltshaftung). Häufig ist damit ein hoher finanzieller Verlust für die Mandantschaft verbunden. Es ist für den Anwalt eine gesetzliche Pflicht, sich ungefragt über die angesprochenen Aspekte zu erklären. Dennoch: Nicht nur aus Gründen meiner eigenen Haftung habe ich es mir zum Ziel gesetzt, meine Mandantinnen und Mandanten stets auch schriftlich über Gebühren und Erfolgssaussichten zu informieren. Das ist für mich das Gebot der Transparenz.

Der Verlust eines Prozesses o. ä. ist oftmals mit zahlreichen Nachteilen verbunden. Nicht selten muss man (wider dem zuvor uneingeschränkten Klageauftrag) die Empfehlung ausgeben, hiervon lieber die Finger zu lassen, weil kostenmäßig ein mögliches Unterliegen völlig außer Verhältnis zum Obsiegen steht. Ich nenne dies das Gebot der wirtschaftlichen Vernunft.

Rechtsfälle können verschiedentliche Schwierigkeiten aufweisen – manchmal treten sie auch erst später auf. Wer das weiß, bringt einer Rechtsangelegenheit den nötigen Respekt entgegen und tappt nicht in die Falle einer fachlichen und persönlichen Selbstüberschätzung. Das ist für mich das Gebot der Vorsicht.

Und das Wichtigste für mich: das Recht dient dem Menschen und nicht umgekehrt. Hinter jedem sog. „Fall“ sind Menschen, für die der Ausgang einer Angelegenheit ein lebenswichtiges Ereignis mit unübersehbaren Auswirkungen darstellen kann – sei es aus persönlicher, sei es aus finanzieller Sicht. Die Schaffung von Seelenfrieden scheint vielmals die Schaffung von Rechtsfrieden zu verlangen. Ein Rechtsberater tut gut daran, den Rechtssuchenden mit seinen Sorgen und Ängsten ernst zu nehmen und ihm eine persönliche Stütze zu geben. Das ist für mich das Gebot der Empathie.

Das hier umrissene Kredo sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein. Zwar ergeben sich viele Verpflichtungen des Anwaltes/der Anwältin bereits aus dem Beratungs- und Geschäftsbesorgungsvertrag – so wie es auch von den Gerichten verlangt wird – und aus dem anwaltlichen Berufs- und Standesrecht. Manches ist aber keine Frage des Rechts, sondern eben des Charakters.


© RA Oliver Lavreau

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